Pangboche - Pheriche (7. November, 4200m)
Zusammen mit dem Sonnenaufgang wachen wir am Morgen des 07. Novembers trotz einer kalten Nacht einigermassen erholt auf. Wir haben zum ersten Mal mit Mütze, Fliessjacke, noch dicker eingepackt geschlafen.
Die Fenster im Zimmer sind von innen angefroren. Gleichzeitig sind aber auch die Symptome von Miri grössenteils verschwunden. Wir sind sehr erleichtert. Auch frühstücken können wir. Miri isst vorsichtshalber bereits Knoblauchsuppe und Toast. Aber essen geht. Wir müssen definitiv nicht absteigen, nicht heute! Juhu! Das Ziel vom Base Camp rückt noch nicht ganz ins Unerreichbare. Es ist vielleicht doch möglich. :)
Manraj scheint ein schlechtes Gewissen und Sorgen um uns zu haben und schlägt uns vor einen weiteren Tag in Pangboche zu bleiben um besser zu akklimatisieren. Wir überlegen, teilen nicht seine Meinung, dass es sinnvoll ist einen weiteren Tag an dem selben Ort zu verbleiben. Dies würde danach bedeuten, weitere, noch grössere Höhenschritte zu machen als ursprünglich geplant, damit uns die Zeit am Schluss reicht. Wir wollen zum Base Camp! Stattdessen passen wir also die Route an. Die angepasste Route nimmt sich kleinere Höhenschritte von maximal 300 - 400m Höhenmetern anstelle der geplanten 800 Höhenmeter vor. Wir lassen einen weiteren Ort weg, Dingboche (4410m), angeblich eine besonders schöne Etappe, aber ein kleiner Umweg und eine ziemliche Höhensteigerung. Nach dem neuen Plan übernachten wir erst im nahe gelegenen Pheriche (4200m) und gehen dann den direkteren Weg zum Base Camp.
Die Route nach Pheriche ist sehr gemächlich und mit wenigen grossen Steigungen. Trotzdem geht es natürlich immer etwas bergauf und bergab. Was auf normalen Höhen keine grosse Anstrengung wäre, bringt uns hier doch immer wieder etwas ausser Atem.
Als wir stoppen um in der Sonne Tee zu trinken, treffen wir auf eine Gruppe Franzosen, die mit der selben Agentur unterwegs sind wie wir. Deren Guide und Manraj kennen sich sehr gut, uns stört es auch nicht, dass wir ein wenig länger Pause machen :). Die Franzosen kommen vom Base Camp. Sehen sehr erschöpft und kaputt aus. Sie erzählen, dass fast alle von Ihnen jetzt auch erkältet sind. Als wir sagen, dass wir auch zum Base Camp auf dem Weg sind, aber gestern ziemliche Höhenprobleme hatten, machen sie bedenkliche Gesichter “Oh, zum Base Camp ist es aber noch ein ZIEMLICHES Stück!”. Hmmmm, das macht uns doch etwas nachdenklich.
Das Laufen geht heute insgesamt gut voran, wir bleiben sogar in Manrajs Zeitangabe, sind also ausnahmsweise gar nicht so pistari pistari (langsam langsam) unterwegs. Das Wetter ist gut, nicht zu heiss, aber warm genug, erst am Ende kommt etwas Wind auf. Das gefürchtigste scheint eine alte verrostete Brücke zu sein.
Nach den Hängebrücken vor Namche und bei Deboche ist dies allerdings keine grosse Herausforderung mehr. Nach einem weiteren Kilometer kommen wir in Pheriche an. Wir sind glücklich, wir sind zwar kaputt, aber diese schlimme Erfahrung des Vortags bleibt uns erspart. Puh! Erleichterung! Wir haben doch richtig entschieden heute weiter zu gehen und nicht dort zu bleiben.
Auch Manrajs neuer Vorschlag den Gesamtplan noch einmal anzupassen: lieber ein schönes Tal entlang zu wandern und nicht höher zu gehen - da dies einfach aufgrund der Höhe so viel abverlangt - schlagen wir aus. Das Base Camp ist unser definitives Ziel. Wir wollen nicht unsere Gesundheit gefährden, aber auch nicht zu früh aufgeben. Wir verstehen Manrajs Argument, dass am Base Camp eigentlich nichts sei für das es sich lohnt dorthin aufzusteigen; Gefühlsmässig verstehen wir es vielleicht erst wirklich im Nachhinein. Aber wir haben nun einmal dieses Ziel vor Augen, das eine Messlatte für uns ist, die wir erreichen wollen. Er kann diese feste Zielsetzung durch diesen Punkt, Base Camp, wahrscheinlich nicht wirklich nachvollziehen, denn schön ist es (SPOILER!) dort wirklich nicht.
Das kleine Teahouse, das Manraj in Pheriche ausgewählt hätte ist bereits ausgebucht. So kommen wir in den Genuss eines richtigen “Luxus”-Teahouses. Ein grosses “Hotel” mit richtig gemütlich warmen Ess/Aufenthaltsraum und eigenem (fast schon sauberen Bad). Theoretisch könnten wir hier wohl sogar Duschen. Aber das ist viel zu gefährlich, bei dem kalten Wetter kühlt man danach völlig aus. So wird man garantiert krank.
Mittag- und Abendessen sind hier sehr lecker. Das Sherpa Stew (eine Art Eintopf mit Nudeln, Kartoffeln, Gemüse und viel Knoblauch), die Kartoffeln, aber vor allem die Momos sind extrem gut.
Der bekannte Ginger-Lemon-Honey Tee darf natürlich nicht fehlen. Wir bestellen wie immer auch eine grosse Kanne heisses Wasser. Durchgehend trinken wir unseren eigenen Erkältungstee, da wir mit dem Schnupfen immer etwas kränkeln. Ausserdem trinken wir nun fleissig Elektrolyte. Das hilft ebenfalls. Der gestrige Tiefpunkt hat uns doch ziemlich beunruhigt, das halten wir nicht noch einmal aus.
Am Nachmittag spielen wir weitere Runden Mau Mau. Manraj geht jetzt wieder in Führung, das gefällt ihm ;)! Christine (von der Agentur) erkundigt sich wie es uns geht; sie “warnt” uns noch, dass Nepalesen beim Spiel immer schummeln ;) ;)! Danach verliert Manraj auf einmal - haha!
Nebenan ist auch ein Medical Help Point; da unsere Elektrolyt-Packungen langsam zuende gehen holen wir hier neue. Interessant, dort arbeitet eine Engländerin. Leider hat die Bäckerei nebenan zu - wobei wir ohnehin nicht mutig genug sind davon etwas zu essen, denn die Waren könnten dort schon lange liegen und wir wollen eigentlich nur gut gekochtes Essen zu uns nehmen, um für unsere Mägen ganz sicher zu gehen.
Am Abend ziehen wir uns mit heissem Wasser in unseren Flaschen wieder in die warmen Schlafsäcke zurück. Morgen kommen einige Höhenmeter dazu. Manrajs Plan ist es nach Lobuche zu gehen, das wären 700 Höhenmeter, auf 4900m. Mittagessen würden wir auf halbem Weg, in Thukla, auf 4600 Meter. Wir sind der Meinung, dass das sicher zuviel ist. Wir finden, wir sollten in Thukla bleiben. Wir haben Angst vor einem weiteren solch starken Vorkommen der Höhenkrankheit. Manraj ist nicht begeistert davon, Thukla sei kein schönes Teahouse, alle gehen dort nur Mittagessen und da es direkt über einem Fluss ist, wird es sehr kalt dort. Aber wir werden es am nächsten Morgen besprechen wohin wir nun genau gehen.
Pheriche - Thukla (8. November, 4600m)
Wir wachen ohne Symptome auf, etwas um das wir uns nun jeden Morgen Sorgen machen, und sind darüber sehr erleichtert :) Es kann weitergehen. Wir essen unser Standardfrühstück bestehend nun aus Toast (Miri) und Porridge (mit Wasser) (Tim). Der Toast will schon nicht so richtig runter, wirklich Appetit haben wir am Morgen nicht. Aber es geht, mit Ovomaltine. Es ist beschlossen: Der heutige Tag sieht nur 4km aber einen Aufstieg auf 4600 Meter vor, allerdings bleiben wir dann dort in Thukla auch über Nacht und gehen nicht mehr weiter. Nach unseren schlechten Erfahrungen mit der Höhe haben wir uns entschieden es “gemütlich” anzugehen. Manraj beugt sich unserer Entscheidung.
SPOILER: Thukla war wirklich nachts EISkalt. Ausser dem höchsten Punkt an dem wir schlafen werden, sicher der kälteste Ort, zudem sind Zimmer und “Sanitäranlagen” tatsächlich noch weniger schön als sonst. Aber die Entscheidung nicht mehr Höhenmeter an diesem Tag zu machen war definitiv die einzig richtige! Das schwierige ist einfach, dass man vorher nicht weiss, wie und ob es so gut ist!
Der Weg von Pheriche aus startet durch eine interessante Tallandschaft. Wir wandern in Fluss- und Bachbetten. Überqueren kleine Ströme. Jede Menge Yaks, Nags (Manraj bringt uns diese Bezeichnung für die weiblichen Yaks bei) und auch Ponys (Ghoda) sind zu sehen. Sie grasen frei im Tal.
Die flache Landschaft ist angenehm zu laufen, auch wenn man selbst hier die Höhe merkt. Wir hören Musik und geniessen es in dieser herrlichen Umgebung in der Sonne zu dritt zu laufen :)!
Nach einer Stunde gemütlicher Wanderung zieht die Steigung langsam an, bis wir nur noch langsam, schrittweise weiterkommen. Eigentlich sieht es nur nach einem Hügel aus, wahrscheinlich sogar weniger steil als unser kleiner Hügel zuhause in Bottmingen… Aber hier wird es zu einem Berg. Wir lachen über uns selbst und versuchen trotzdem noch zusätzlich wirklich langsam zu laufen, damit wir nicht noch mehr ausser Atem kommen. Je weniger Sauerstoff, desto schlimmer wird es uns bei der Ankunft gehen, also tief und ruhig Atmen! Nach einem anstrengend Anstieg in dünner Höhenluft um weitere 400m finden wir uns nach der Überquerung einer wackligen Holzbrücke in Thukla wieder. Einer kleinen Siedlung von 3 Gebäuden welche als Filmkulisse für einen James Bond Film dienen könnte. Es sieht wunderschön aus in der Sonne.
Aus Erfahrung wissen wir, jetzt bloss keine Zeit verlieren. Als erstes müssen wir trinken und essen, damit die Symptome gar nicht erst so stark werden können. Es gibt - natürlich - Ginger-Lemon-Honey Tee und Garlic Soup. Langsam gewöhnen wir uns an den Geschmack, der Ingwer-Tee ist eigentlich richtig lecker. Wir essen sogar die Ingwer-Stückchen (Ihhhh), aber schützt angeblich vor Erkältung und vor allem sind die Wirkungen zwecks dem Atmen, Kopfschmerzen, Höhensymptomen nicht von der Hand zu weisen. (Tim meint Plazebo sei Dank).
Wirklich super gut geht es uns hier in Thukla nicht: leichte Kopfschmerzen, körperlich erschöpft, leichte Übelkeit. Aber es ist erträglich und das Essen macht es wieder etwas besser. Wir sind erleichtert, dass es uns nicht so schlecht geht wie in Pangboche.
Wir beziehen unsere Zimmer, es ist wirklich zugig, gibt nur Plumpsklos, gar kein fliessendes Wasser…tja. In Pangboche und Pheriche gab es jeweils noch fliessend Wasser. Dies wurde nur nachts abgestellt, wegen der Kälte. Aber tagsüber konnte man Hände waschen (natürlich ohne eine Seife). Hier gibt es wirklich nur noch das eigene Handdesinfektionsmittel.
Positiv versuchen wir uns einzustimmen: Wir sind höher als das Schweizer Matterhorn (4478m) und etwa auf der Höhe des höchsten Punkts in der Schweiz, der Dufourspitze (4634m). So freuen wir uns an diesem Gedanken, das haben wir bereits geschafft. Juhu :)!
Wir haben am Nachmittag noch viel Zeit und beschliessen eine selbständige Akklimatisierungswanderung von einer Stunde zu machen. Die Idee von Akklimatisierung ist es, am Tag hoch zu wandern und wieder abzusteigen um tiefer zu schlafen. Dies ermöglicht es dem Körper sich auf die Höhe einzustellen. Nach der kurzen aber wie immer anstrengenden Wanderung in die Höhe freuen wir uns, das Deutsche Pärchen von Jorsalle, David und Samantha wieder zu treffen.
Wir verbringen einen tollen Abend und erfahren Spannendes von den Beiden. Sie haben auch einige Pässe bereits geschafft bzw. noch vor sich. Mussten aber auch schon einmal ganz kurz auf Diamox zurückgreifen… Mau Mau können wir nun auch zu 5. spielen und David kennt einige der Schweizer Sehenswürdigkeiten von den Karten besser als wir. Verrückerweise hängt auch im Teahouse ein Bild des Matterhorns - oder ist es das Nepali Matterhorn Ama Dablam?
Die Nacht stellt sich allerdings als nicht so toll heraus. Aufgrund der Windexponiertheit von Thukla ist es eine der kältesten Nächte unserer bisherigen Reise. Die kleinste “Hautexponierung” verunmöglicht das Schlafen. Wir verkriechen uns tief in unsere -20 Grad Daunenschlafsäcke. Das Problem ist allerdings, dass man alle 1.5 Stunden die Toiletten aufsuchen muss. Und zwar wirklich dringend, da bleibt keine Minute zum Zögern. David hat uns darüber aufgeklärt, dass die Nieren fleissig an der Akklimatisierung arbeiten, den Körper an die Höhe anpassen und dafür das Blut verdicken und deshalb alle Flüssigkeit loswerden (na toll) und man entsprechend sehr viel auf die Toilette muss. Immerhin können wir uns jetzt mit diesem positiven Gedanken trösten, wenn wir ständig nachts in der Kälte aufspringen müssen. Eigentlich eben ein gutes Zeichen, der Körper stellt sich auf die Höhe ein, dennoch eher unangenehm bei Minusgraden. Zusätzlich erschwerend kommt hinzu, dass die Plumpsklos komplett zugefroren sind und ein Besuch eine hals- und beinbrecherische Aktion darstellt. Da möchte man nun wirkich nicht auf Eis ausrutschen… (Wir schaffen es glücklicherweise das knapp zu vermeiden.)